-
Kochen wie am Fließband: Die Frankfurter Küche im MoMa
MoMa – Hotspot der modernen Kunst
Deutschsprachige Plakate finden sich in der ganzen New Yorker Ausstellung. Während unseres Trips nach New York war natürlich auch das MoMa, das Museum of Modern Art, ein absoluter Pflichtpunkt auf unserem Besichtigungsprogramm. Dieses Museum liegt in Midtown Manhattan, an der 53rd Street und dicht an der 5th Avenue gelegen und nicht weit entfernt von der Radio City Music Hall, dem Trump Tower, der St. Patrick’s Cathedral und – vor allem – Victoria’s Secret. Hier findet sicht eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen moderner Kunst. Die Ausstellung beschreibe ich euch in einem anderen Beitrag. Hier geht es heute lediglich um ein einziges Exponat: Die Frankfurter Küche.
Wohnen neu gedacht
Le Corbusier: Chaise Longue und Sessel Von Mitte der 20er bis in die 50er Jahre gab es eine große Bewegung, das Leben und Wohnen der Menschen in der modernen Zeit neu zu denken, sich von althergebrachten Mustern zu lösen und mit den modernen Mitteln, die Elektrizität, Gas, Sperrholz, Kunststoffe, etc. boten, neu zu denken. Ich hatte schon das Glück gehabt, in Paris einige Werke Le Corbusiers bestaunen zu können: Maison La Roche, Pavillon Suisse und Maison du Brésil. Der Architekt war aber neben weiterem auch als Stadtplaner und Möbeldesigner aktiv. Einige Konzepte Le Corbusiers waren für die damalige Zeit revolutionär. So zum Beispiel seine aus den Möglichkeiten des Stahlbetons geborene Idee, die zwei klassischen Funktionen einer Wand, das Tragen und das Trennen, voneinander zu lösen. So kam er zu der heute eigentlich bei jedem größeren Gebäude zu findenden Struktur aus tragenden Stahlbetonpfeilern, die ein festes Gerippe bilden und einer nicht tragenden Fassade, die mittlerweile auch gerne aus Glas bestehen darf, sowie flexibel verschiebbaren Innenwänden. Das wäre mit den klassischen tragenden Mauerwänden nicht realisierbar. Auch großzügige Freiflächen unter einem überkragenden, aufgeständerten ersten Stock sind so möglich.
Ein neues Kochen
Hier aber, im MoMa, bot sich die Gelegenheit, sich mit den Revolutionen im Inneren zu beschäftigen. Und so boten sich tatsächlich einige schöne Einblicke in die frühen modernen Entwürfe zu Inneneinrichtung und modernen Wohnkonzepten. Was mich aber wirklich vom Hocker riss, war eine originale Frankfurter Küche. Ich hatte schon viel über diesen Archetyp der heute von uns allen als selbstverständlich angesehenen Einbauküche gelesen, aber noch nie eine gesehen. Hier wurde ein Lösungsschritt zur effizienten Raumnutzung in beengten Wohnungen in einer – vorher eher unüblichen – Trennung der Küche vom Lebensraum (die in den letzten Jahren mit offenen, teils gar in den Wohnraum integrierten Küchen wieder zurückgenommen wird) gesehen. Die Küche wurde sodann auf ausschließliche 1-Frau-Nutzung, geringsten Platzbedarf und vor allem auf höchst effiziente Nutzung getrimmt.
Frankfurter Küche – Effizienz als Gestaltungsziel
Begeisterung für eine neue Form der Energie: Dank Aufbau der städtischen Gasnetze (zur Beleuchtung) setzte sich gegen die Jahrhundertwende der Gasherd durch. Der Kühlschrank feierte in den späten 20ern seinen Durchbruch. In der Frankfurter Küche wird er weggelassen. Le Corbusier Raumteiler Der Taylorismus ist ein aus der industriellen Produktion der Jahrzehnte um 1900 stammender Ansatz, der auf Effizienzmaximierung in der Produktion durch die Analyse und Optimierung von Arbeitsabläufen abzielt. Viele Konzepte fallen hierunter, wie die Entlohung nach Leistung. Ein wichtiges Merkmal ist aber die genaue (mit Stoppuhr) Messung der für Arbeitsschritte benötigten Zeit und die weitestmögliche Verkürzung dieser Zeit. Dieses Prinzip wurde nun auf die Küche angewandt.
Die Küche – ein Kunstwerk für sich
Frankfurter Küche: Links der Herd, im Hintergrund die Arbeitsplatte mit Müllfach, links hiervon das Bügelbrett, rechts Spüle, Schütten und Kochkiste Und so ist jedes winzige Detail der Frankfurter Küche durchdacht und so ausgelegt, dass kurze Wege, kleine Drehungen und nah beieinander liegende Arbeitsschritte entstehen: Auf der Arbeitsplatte wird geschnitten. Doch wohin mit dem Müll? Aufstehen und zum Mülleimer gehen? Nein: Direkt an der Arbeitsplatte befindet sich ein Mülltrichter, in den der Schnitt einfach beiseite gefegt wird und schon kann weiter geschnitten werden – Sekunden gehen verloren statt vielleicht einer Minute. Beim Spülen muss nicht in einem Becken eingeweicht, gewartet und das ganze wieder ausgeräumt und dann mit dem Spülen begonnen werden. Nein – es gibt zwei Becken. Rechtes Becken einweichen, linkes Becken spülen, wieder links daneben ein Ständer zum Abtropfen. Weniger Körpereinsatz und Zeitverlust geht kaum. Und so geht es weiter. Auch die einheitliche Produktion und modulare Kaufmöglichkeit war auf Effizienz ausgelegt. Die Frankfurter Küche ist so ein allein stehendes Meisterwerk einer ganz eigenen Denkrichtung. Man muss sie nicht lieben und heute würde sie sich fraglos niemand zuhause einbauen wollen. Aber sie beeindruckt auf ihre Weise.
Frankfurter Küche: Jeder Weg ist genau durchgeplant Im MoMa ist die komplette Küche zu bewundern: Die völlig neuen einheitlichen Aluminiumschütten für Reis und andere lose Zutaten. Das integrierte Bügelbrett und nicht zu vergessen auch der Stuhl für die ermüdete Dame des Hauses. Hier sind viele Konzepte zu erkennen, die bis heute die Gestaltung unserer Wohnungen und insbesondere der Küche prägen.